Europas Einheit braucht christliche Werte
1.500 Christen aus Gemeinschaften und Bewegungen setzen Hoffnungszeichen gegen nationale Abschottung
Würzburg, 07.11.2009 – Christen sollten aufkeimenden nationalen Abschottungstendenzen in Europa die einigenden Werte von Toleranz und Solidarität mit den Armen und Benachteiligten entgegensetzen. Angesichts zunehmender Ängstlichkeit oder gar feindlicher Gesinnungen gegenüber Ausländern und Flüchtlingen z. B. aus Afrika, seien sie aufgefordert, materiellen Ängsten konkrete Projekte der Hoffnung und des Miteinanders entgegenzusetzen, sagte der Präsident der internationalen Gemeinschaft Sant'Egidio, Prof. Dr. Marco Impagliazzo (Rom), vor rund 1.500 Teilnehmern eines Treffens christlicher Bewegungen und Gemeinschaften in Würzburg. Vertreter aus 85 Gruppen haben sich unter dem Motto „Miteinander auf dem Weg – Zeichen der Hoffnung“ am vergangenen Samstag, 7. November, im Würzburger Dom versammelt.
Nach den internationalen Konferenzen von „Miteinander für Europa“ in Stuttgart 2004 und 2007 hatte ein Koordinationsteam aus dem evangelischen, katholischen und freikirchlichen Raum zu einer bundesweiten Begegnung eingeladen. Die bunte Vielfalt der verschiedenartigen kirchlichen Gruppen kam sowohl durch Dekoration mit mehrfarbigen Würfeln im Altarraum des Doms als auch durch die jugendlich-musikalische Begleitung der „Lobpreiswerkstatt“ der Gemeinschaft Immanuel (Ravensburg) zum Ausdruck. Die Begegnung in Würzburg war eine der größten von insgesamt elf nationalen Veranstaltungen in verschiedenen Ländern Europas.
Der katholische Bischof von Würzburg Friedhelm Hoffmann bezeichnete die christlichen Bewegungen als „Ferment für die Gesellschaft“. Die Einheit unter den Christen sei ein wichtiger Faktor für ihre Glaubwürdigkeit. Der evangelische Regionalbischof für Ansbach und Würzburg, Christian Schmidt, betonte, im Einsatz für die Armen könnten christliche Gruppen noch enger zusammenwachsen. Der Weg zu einer Abendmahlsgemeinschaft der getrennten Konfessionen könne „am ehesten vom Miteinander der Gemeinschaften“ ausgehen. Siegfried Großmann, früherer Präsident der Vereinigung evangelischer Freikirchen, ermutigte die unterschiedlichen christlichen Gruppen zu einer „Kultur der gegenseitigen Ergänzung“.
Marco Impagliazzo unterstrich: „Die Einheit unter den Christen ist der Zement für ein vereintes Europa.“ Zersplittert in Einzelinteressen verliere Europa in einer globalisierten Welt an Bedeutung. Gleichzeitig könnten Christen durch international vernetzte Initiativen Zeichen für ein respektvolles Miteinander von Völkern, Kulturen und Religionen setzen. Ohne gelebte europäische Einheit könnten die Werte des Friedens, der Freiheit und Menschlichkeit verloren gehen. Christen könnten der Angst vor dem Andersartigen das Vertrauen in die Botschaft Jesu Christi von der Liebe zum Leben und der Versöhnung entgegensetzen.
Als Schlüssel für die Einheit der Christen bezeichnete Gerhard Proß, leitender Referent des CVJM Esslingen und Mitglied des Koordinationsteams von Miteinander für Europa, die „Gabe und Gnade Gottes in anderen Gemeinschaften und Kirchen zu suchen, statt sich gegenseitig kritisch zu be- oder gar verurteilen“.
Als Repräsentant eines „älteren geistlichen Bruders“ der seit zehn Jahren bestehenden Miteinander-Initiative begrüßte Proß den Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, deren internationale Wurzeln mehr als 160 Jahre zurückreichen. Steeb brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass beide evangeliumsgemäßen Strömungen nahezu identische Ziele verfolgen. Steeb wünschte sich: „Beide Strömungen müssen sich noch weiter vernetzen.“
Landesbischof i.R. Jürgen Johannesdotter, EKD-Beauftragter für Kommunitäten, ermutigte die Teilnehmer, sowohl materiell als auch geistlich armen Menschen die Zusage zu machen, dass Gott sich um ihre persönlichen Situationen kümmere: „Kein Ort in dieser Welt ist so entlegen, als dass Christen nicht dort ihre lebensbejahende und frohe Botschaft bringen können.“ Das Miteinander beim Würzburger Treffen habe erneut deutlich gemacht: „Europa hat eine Hoffnung.“ Christen sollten diesen „Schatz“ nicht verbergen, sondern unter die Menschen bringen. Gemeinschaften und Bewegungen seien „Pflanzstätten der Hoffnung“.
In einer durch Applaus bestätigten Abschlusserklärung setzen sich die christlichen Bewegungen u. a. für transparentes Handeln und faire Beziehungen in Wirtschaft und Unternehmen ein. Die Christen wollen zudem mit Präventionsprojekten der Gewaltbereitschaft in Schulen entgegenwirken. Zum Schutz der Umwelt schließen sie sich ökumenischen Forderungen an, am 1. September einen „Tag der Schöpfung“ zu begehen.
Am Nachmittag trafen sich die Teilnehmer in neun sozialpolitischen Foren. Vorgestellt wurden darin u. a. zahlreiche Projekte der Gemeinschaften. So bieten sie in Seminaren und Beratungsangeboten vielfältige Hilfen für ein gelingendes Ehe- und Familienleben. Beispielhaft wurde die Aktion „Woche für Ehepaare“ vorgestellt, an der im Februar allein in München insgesamt 450 Ehepaare teilnahmen. Praktisch setzen sie sich außerdem im Umweltmanagement ihrer Einrichtungen für den Schutz der Schöpfung ein. Im Kontakt mit sozial Benachteiligten bauen sie gesellschaftliche Ängste ab. Durch konstruktiven Umgang mit Konflikten in Gemeinschaften leisten sie einen Beitrag zum Frieden- Das schließt präventive Projekte in Schulen ein, reicht über christlich inspirierte Völkerverständigung, der Überbrückung von Gegensätzen zwischen West- und Osteuropa sowie der Versöhnung zwischen den Religionen.