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Botschafter der Versöhnung und Zeichen der Hoffnung - Ökumene-Netzwerk «Miteinander für Europa» feiert Jubiläum im Augsburger Rathaus

Andrea Fleming. Der Saal im Augsburger Rathaus war bis auf den letzten Platz gefüllt – 300 Mitglieder aus 55 christlichen Gemeinschaften und Bewegungen verschiedener Kirchen aus 25 verschiedenen Ländern Europas waren am heutigen Samstag zusammen, um gleich mehrere denkwürdige Jubiläen miteinander zu begehen: Vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer und für Europa begann eine neue Ära der Begegnung zwischen Ost und West. Vor 20 Jahren wurde in Augsburg die «Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung» von Vertretern des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche unterzeichnet, und am gleichen Tag kam nachmittags in Ottmaring die erste Gruppe von Verantwortlichen verschiedener katholischer, evangelischer und freikirchlicher Gruppierungen zusammen – die Geburtsstunde des Netzwerkes «Miteinander für Europa». Die drei Ereignisse waren für die Anwesenden eng miteinander verknüpft und prägen den «Gründergeist» der Initiative.

MfE Jubiläums-Veranstaltung im Augsburger Rathaus (Foto: Haaf)

MfE Jubiläums-Veranstaltung im Augsburger Rathaus (Foto: Haaf)

Es braucht die Erfahrung von versöhnter Verschiedenheit

„Ihr seid Botschafter der Versöhnung“, ermutigte der evangelische Bischof i.R. Christian Krause die Anwesenden. Er hatte 1999 als damaliger Präsident des Lutherischen Weltbundes die „Gemeinsame Erklärung“ mit unterzeichnet und erinnerte als einer der Zeitzeugen an die vielen ermutigenden Schritte, die in der Ökumene dadurch und seitdem getan wurden. Im aktuellen Klima zunehmender Europa-Skepsis und politischer Polarisierung brauche es gerade die Erfahrung der Bewegungen und geistlichen Gemeinschaften von versöhnter Verschiedenheit.

Bertram Meier, derzeitiger Diözesanadministrator in Augsburg, unterstrich im Dialog mit seinem evangelischen Kollegen Regionalbischof Axel Piper die Bedeutung dieser Fähigkeit zur Versöhnung. „Einheit in Verschiedenheit ist auch innerkirchlich eine Herausforderung. Es geht darum, einander verstehen zu lernen und das nicht nur vom Verstand, sondern auch vom Herzen her“. Piper bestätigte, dass genau dieses Bemühen auch die ökumenischen Beziehungen in Augsburg präge: „Aber wir müssen neugierig füreinander bleiben, uns füreinander interessieren, denn wir können viel voneinander lernen!“

Ein prophetisches Zeichen für ein glaubwürdiges Miteinander in Europa sein

In den kurzen bunten Zeugnissen aus verschiedenen europäischen Ländern leuchteten dann die konkreten Ansätze für die Umsetzung dieses Beziehungsnetzwerks auf: In Ungarn bewegt sie Christen verschiedener Konfessionen dazu, sich miteinander Menschen in Not und Isolation zuzuwenden, auch in den Transitlagern für Geflüchtete. In Österreich drängt es Mitglieder verschiedener Gemeinschaften dazu, ihre eigenen Grenzen zu überschreiten, den Kontakt zu Christen in Slowenien und Italien zu suchen und sich miteinander für die aktuellen Bedürfnisse in ihren Regionen einzusetzen. Ein Blick in die Schweiz zeigte, wie regionale Gruppen des Miteinander-Netzwerkes gemeinsam für eine neue Leidenschaft für ein aktives Engagement IN Europa werben.

Gerhard Proß, Moderator des Ökumene-Netzwerkes, skizzierte dann Perspektiven für die Zukunft: Es gelte, der Versuchung, neue organisatorische Strukturen zu entwickeln, zu widerstehen und stattdessen das Thema Versöhnung zu vertiefen. Im derzeitigen Klima der Enttäuschung, des Verlusts an Glaubwürdigkeit der Kirchen und der ausbleibenden Aufbruchstimmung liege eine große Chance darin, die positiven Erfahrungen zwischen Amt und Charisma, zwischen Kirchenleitung und charismatisch geprägten Ausdrucksformen von Glaubensleben in den Bewegungen zu bezeugen. „In Zeiten des Auseinanderdriftens und der Tendenzen zur Abgrenzung wollen wir ein prophetisches Zeichen für ein glaubwürdiges Miteinander in Europa sein“.

Engagements für die Freiheit und die Würde des Menschen

Einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftspolitischen Dimension von „Miteinander für Europa“ gab am Nachmittag der tschechische Senator Pavel Fischer. Er beschrieb ein aktuelles Bild des Engagements für Freiheit und die Würde des Menschen im Kontext einer stark medial beeinflussten Gesellschaft in Europa. „Wir müssen zu aktiven Bürgerinnen und Bürgern werden, den Mut haben, uns für andere, für die Schwachen einzusetzen, die Stimme für Gerechtigkeit zu erheben“, forderte er die Zuhörer auf. „Christen in Europa können helfen, die Vielfalt an Stimmen hörbar und die vielen unterschiedlichen Facetten eines Themas sichtbar zu machen.“

Breiten Raum hatte auch am Nachmittag das vielfältige Leben der Gemeinschaften im Netzwerk in den einzelnen Ländern und Regionen. Engagierte des Netzwerks berichteten von Gebetsinitiativen und Pilgerwegen für den Frieden, für mehr Verständigung und Versöhnung. Ein bunter medialer Beitrag zeigte das Engagement in vielen Ländern am 9. Mai: Der jährlich begangene Europatag ist inzwischen zu einer besonderen Gelegenheit für die Präsenz von „Miteinander für Europa“ in der Öffentlichkeit geworden. Berichte von einer Reise einer Gruppe Deutscher in die Ukraine oder einer Initiative von Christen und Muslimen in Frankreich zeigten die Vielfalt und Breite des gesellschaftlichen Engagements.

Pater Heinrich Walter: „Europa braucht diesen positiven Geist, denn Unheilsboten gibt es schon genug!“

Pater Heinrich Walter von der Schönstatt-Bewegung zog am Ende des Tages Bilanz: „Europa braucht diesen positiven Geist, denn Unheilsboten gibt es schon genug!“ Anschließend machte sich die Gruppe aus dem Rathaus auf den Weg in die evangelische Kirche St. Anna, in der 1999 die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unterzeichnet worden war. Dort endete der Tag mit einem ökumenischen Gebet und einer Lichterprozession. Auf dem Platz vor der Kirche fand das Jubiläum mit Gesängen und einem Segen seinen feierlichen Abschluss.