Ein Signal der Hoffnung in Zeiten der Verunsicherung
Vom 27. bis 29. Juni 2025 hat das ökumenische Netzwerk „Miteinander für Europa“ (MfE) zu einer Begegnungstagung nach München eingeladen. Ort des Treffens, an dem sich die ca. 300 teilnehmenden Christinnen und Christen aus verschiedenen Kirchen, geistlichen Bewegungen und Gemeinschaften versammelten, war die am Sendlinger-Tor-Platz gelegene Matthäuskirche.
Unter dem der Bibel entnommenen Thema „Suchet der Stadt Bestes“ (Jer 29,7) ging es bei dem Treffen darum auszuleuchten, was es mitten in den Herausforderungen und Möglichkeiten dieser Zeit heißen kann, „Salz und Licht“ für die Gesellschaft zu sein und für unsere Städte und für Europa das Beste zu suchen.
Die Vision der Tagung sei es, einen Impuls der Hoffnung zu setzen in herausfordernden Zeiten, so Michael Guttenberger, Co-Sprecher der deutschsprachigen Vineyard-Bewegung und Mitglied des Vorbereitungsteams. Die christlichen Gemeinschaften und Gemeinden seien von Gott in die Gesellschaft ‚ausgesät‘, um ein Segen zu sein und das Wohl der Menschen und Städte zu fördern, und das nicht besitzergreifend, sondern in einer dienenden Haltung im Ausleben ihrer unterschiedlichen Gaben.
„Stadt“ meinte dabei nicht nur die Stadt als konkreten Ort, der mitunter auch mit Sehnsüchten behaftet ist. „Stadt“ meinte den Ort überhaupt, an dem Menschen zusammenkommen und leben – auch hier sind Christinnen und Christen gerufen, das Ihre beizutragen und so dem Gemeinwohl zu dienen.
Inhaltlicher Schwerpunkt
Die Alttestamentlerin Janina Hiebel machte in ihrem Beitrag am Samstagvormittag, der der historischen, geistlichen und theologischen Vertiefung des Themas „Suchet der Stadt Bestes“ gewidmet war, deutlich, dass es für Christinnen und Christen auch heute darauf ankomme, sich ohne Illusionen auf die Realität einzulassen und „vor allem nicht die Hoffnung auf die Zukunft aufzugeben“. Das Beste zu suchen und für die Stadt, für das Land und für die Welt, in der sich das Leben abspiele, zu beten, bedeute auch: „keine Feindbilder aufbauen, sondern sie überwinden. Identität bewahren, ohne sich abzuschotten. Gott wird sich von euch finden lassen, auch und gerade an den Orten, von denen ihr meint, dass sie hoffnungslos gottfern sind.“
Deborah Dittmer, Leiterin der Vineyard-Gemeinde München, betonte in ihrem Beitrag, dass das „Beste“, der „Shalom“ einer Stadt erreicht werde, wenn wir Menschen einiges losließen. Konkret: „Wir müssen unsere Opfermentalität loslassen. Wir sind keine Opfer! Wir sind auch keine Beherrscher! Wir sind Salz und Licht der Welt! Das bedeutet nicht, dass wir alles gut finden müssen. Aber wir entscheiden uns für eine Haltung der Liebe gegenüber dieser Welt, ... nicht aber eine Haltung der Furcht oder Abneigung oder Abschottung.“
Im Hauptvortrag des Vormittags zeigte Jesús Morán, Kopräsident der Fokolar-Bewegung, der per Video zugeschaltet war, auf, wie weltliche und geistliche Denker über Jahrhunderte hinweg die Stadt beschrieben haben – als Orte, in denen die Chancen und Grenzen der Vernunft und der Gerechtigkeit erkennbar sind. In Berufung auf den Kirchenvater Augustinus führte er aus, dass die Liebe das Fundament einer Stadt sein müsse. Das sei die Botschaft des Christentums. Chiara Lubich, die Gründerin der Fokolar-Bewegung, habe inmitten des vom Krieg zerstörten Rom des Jahres 1949 eine geistliche Entdeckung gemacht, die sie dazu geführt hat, die Stadt mit anderen Augen zu sehen und zu erkennen, dass die Liebe in der Lage ist, eine Stadt wieder aufzubauen und zu einem Ort der Begegnung zwischen Mensch und Gott zu machen.
Indem sich Christinnen und Christen für das soziale, wirtschaftliche und auch spirituelle „Gemeinwohl“ ihrer Städte einsetzen, können sie „inmitten der sichtbaren Städte unseres Kontinents jene ‚unsichtbaren Städte‘ errichten, die wahre prophetische Vorzeichen des Reiches Gottes sind.“
Für das Gemeinsame
Bereits am Freitagnachmittag war es im Gespräch mit Kirchenvertretern und einem Politiker darum gegangen, was denn nun „das Beste“ für die Stadt sei und wie man es erkennen könne. „Suchet der Stadt Bestes“ heiße etwa, denen eine Stimme zu geben, die sonst keine haben; zu helfen, dass die Armen und Schwachen gehört werden, erklärte Markus Grübel, von 2002 bis 2025 Bundestagsabgeordneter, von 2018 bis 2021 Beauftragter der Bundesregierung für die weltweite Religionsfreiheit und über viele Perioden im Stadtrat.
Jeremia habe das Volk Israel aufgefordert, das Beste für die fremde, ja feindliche Stadt Babylon zu suchen, unterstrich Thomas Prieto Peral, evangelisch-lutherischer Regionalbischof von München. Es sei der vielleicht älteste Aufruf, das Gemeinwohl im Blick zu haben. Allen solle es gut gehen. Und deshalb, so Prieto Peral, sei unser Platz an der Seite der Menschen, die angegriffen werden, die Angst haben – seien es Juden, Muslime oder Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung. Christoph Klingan, der Generalvikar des Erzbistums München-Freising ergänzte: „Als Christen ist unser Platz da, wo Menschen zusammenkommen, um Gemeinschaft zu ermöglichen, Lebensraum zu schaffen und zu bewahren, geistliche Räume zu eröffnen. Suchet das Beste heißt: Suchet das Gemeinsame. Dann kann das Zeugnis der Christen für die Stadt heller leuchten.“
In sechs Foren aufgeteilt beschäftigten sich die Teilnehmenden am Nachmittag mit Konkretionen dieser Suche nach „dem Besten“ für die Stadt.
- Forum „Gebet für die Stadt“
- Forum „Mit Jugendlichen Glaubenswege gehen“
- Forum „Evangelisierung eines neuen Kontinents: Christlicher Glaube im Internet“
- Forum „Hoffnung geben an herausfordernden Orten: Soziale Initiativen in der Stadt“
- Forum „Ehe und Familie“
- Forum „Religionen in der Stadt im Einsatz für das Zusammenleben“
Zeiten des Gebets und des Lobpreises
Im Inneren der Matthäuskirche zieht ein großes Mosaik die Blicke auf sich. Es stellt das „Himmlische Jerusalem“ dar, die Stadt Gottes, die neue Stadt, die – so heißt es im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes – am Ende der Zeiten vom Himmel kommt, also ein Geschenk Gottes ist. Um diesen dreieinigen Gott anzubeten und zu ehren, gab es im Programm großzügige Zeiten des Gebets und des Lobpreises, die mit geistlicher Tiefe von der „Lobpreiswerkstatt“ der Gemeinschaft Immanuel in Ravensburg gestaltet wurden. In seiner Predigt während des Abschlussgottesdiensts am Sonntagmorgen fragte Reinhardt Schink, Vorstand der Evangelischen Allianz Deutschland, wer denn die Macht habe, das Beste für die Stadt herbeizuführen. Der Elefant? Der Löwe? Seine Antwort: Es sei das Lamm. „Am Kreuz hat der Böse alles verloren. Das Leben entfaltet sich da, wo es die Bereitschaft zur Hingabe gibt.“
Gegenkundgebung
Am Freitagabend fand in unmittelbarer Nähe zur Matthäuskirche eine Gegenkundgebung zur Veranstaltung des „Miteinander für Europa“ statt: Die Gruppe FundiWatch wollte darauf aufmerksam machen, dass ausgerechnet am Wochenende des Christopher Street Days (CSD) eine Veranstaltung von „christlichen Fundamentalist*innen“ stattfinde, die „von Vertretern der Amtskirchen unterstützt“ werde. Regionalbischof Pietro Peral nahm an der Kundgebung teil, um zu erläutern, warum er zum „Miteinander für Europa“ gegangen sei. Auch fünf Vertreterinnen und Vertreter von „Miteinander für Europa“ suchten das Gespräch mit den Veranstaltern der Demonstration. Am Tag danach dankte FundiWatch auf Instagram, „dass Sie (Regionalbischof Pietro Peral) sich unseren kritischen Fragen gestellt haben, der Dank geht auch an die anderen Teilnehmer*innen von der Veranstaltung von MfE, mit denen wir ins Gespräch kamen.“ Auch wurde hier die beiderseitige Dialogbereitschaft benannt: “Wo die Grundlage für einen Dialog besteht, wollen wir ihn nutzen. Und den Eindruck hatten wir heute.“

25 Jahre Miteinander
„Miteinander für Europa“ ist nun gut 25 Jahre unterwegs. Das Netzwerk von zurzeit etwa 200 Gemeinschaften aus der evangelischen, freikirchlichen und katholischen Welt wurde 1999 gegründet. Es steht auf der Grundlage eines Bündnisses der gegenseitigen Liebe, das Menschen und Gemeinschaften verbindet und auch in München wieder erneuert wurde: „Jesus, wir sagen Ja zu deinem Gebot und erneuern unser Bündnis der gegenseitigen Liebe. Wir wollen einander lieben, wie du es versprochen hast. Wir bitten dich, stärke unsere Liebe durch den Heiligen Geist und sei du unter uns, wie du uns versprochen hast. Wirke du in uns und durch uns, damit wir ein Segen sein können für unsere Mitmenschen und dem Wohl der Gesellschaft dienen.“ Vor allem dieses Zeugnis möchte „Miteinander für Europa“ zum „Besten der Stadt“ überall dort geben, wo Menschen zusammenleben – liebend und dienend, gegen niemanden gerichtet.